Bankbürgschaften, oder allgemeiner Avale, sind als limitierende Faktoren in der Unternehmensfinanzierung im Projektgeschäft natürlich kein neues Phänomen. Die sich stetig ändernden Vorschriften zur Unterlegung solcher Instrumente auf der Bankenseite haben aber insofern nochmals zu einer Verschärfung der Situation geführt, als die entsprechenden Linien von Seiten der ausstellenden Institute inzwischen oft in gleicher Weise als Risiko betrachtet werden wie klassische Kredite (auch wenn bei der Ausstellung von Avalen zunächst kein Geld fließt).
Eine gängige Vorgehensweise, um in kritischen Situationen dieses Risiko aus Bankensicht zu minimieren, besteht darin, mit den Unternehmen, die Bürgschaften benötigen, Barhinterlegungen zu vereinbaren. Diese stehen dem eigentlichen Zweck insbesondere von Anzahlungsbürgschaften zwar diametral entgegen, aber zumindest lässt sich auf diese Weise nach außen der Eindruck vermeiden, man habe als Unternehmen Schwierigkeiten mit der Kreditwürdigkeit.
Gleichzeitig ist offensichtlich, dass derartige Barhinterlegungen auch ihren Niederschlag in der Liquiditätsplanung finden müssen. Was zunächst einfach klingt, ist jedoch in der Praxis durchaus mit einigen Herausforderungen verbunden. Diese beginnen bereits damit, dass Avale als Eventualverbindlichkeiten in aller Regel nicht bilanziert werden, und Barhinterlegungen außerdem zwar die verfügbare Liquidität reduzieren, jedoch nicht die Kassenposition. Eine weitgehend automatisierte und maschinelle Erstellung einer indirekten Kapitalflussrechnung im Rahmen einer integrierten Business Planung ist somit nicht mehr ohne weiteres möglich. Des Weiteren sind beispielhaft folgende Einzelprobleme zu lösen:
- Sachgerechte Abbildung unterschiedlicher Barhinterlegungsmodelle (z.B. quotale Hinterlegungen von Einzelavalen vs. pauschale Verpfändungen für einen Avalrahmen)
- Synchronisierung der Planungshorizonte, des strukturellen Aufbaus (z.B. betrachtete Einheiten) und der Aktualisierungsfrequenzen von Aval- und Liquiditätsplanung
- Ausreichende Ausdifferenzierung der Avalplanung zur sauberen Abbildung unterschiedlicher Avalarten mit ggf. unterschiedlichen Hinterlegungsquoten, Herauslagezeiträumen und Risikoprofilen
- Modellierung der liquiditätsseitigen Effekte von Strategien zur Avalvermeidung
- Schaffung vertraglicher Handlungsoptionen zur liquiditätsoptimierten Steuerung der Avalbeanspruchung (z.B. Vereinbarung von Optionen zur Anpassung von Zahlungsbedingungen bei wieder verfügbaren Spielräumen des Avalrahmens)
Nimmt man zu diesen ausgewählten Einzelthemen hinzu, dass die handelnden Personen zwischen Aval- und Liquiditätsplanung typischerweise nicht identisch sind – die Avalplanung speist sich in der Regel aus dem Vertrieb, während die Liquiditätsplanung eher im Treasury-Bereich angesiedelt ist – und dass auch die generelle Herangehensweise bei der Planung zumeist zwischen den unterschiedlichen beteiligten Abteilungen nicht die gleiche ist (Verkäufer:innen neigen nach einschlägiger Erfahrung eher zu einer positiveren Weltsicht als Controller:innen und anderen Hüter:innen von Kassenbeständen), so ergibt sich eine relativ komplexe Gemengelage. Diese sauber und transparent über die betroffenen Abteilungen hinweg abzubilden und die richtigen Entscheidungen zur Steuerung zu treffen, ist eine ebenso herausfordernde wie in Krisenzeiten zwingend erforderliche Aufgabe. Guter Rat hierzu ist mit Blick auf die Schwierigkeit des Themas in der Regel nicht billig; der Verzicht auf die sorgfältige Behandlung der Problemstellung aber teurer.