In der aktuellen Ausgabe widmen wir uns einem aktuellen Thema der Automobilindustrie: Carve-Outs und M&A, um sich durch Trennung von Nicht-Kerngeschäftsaktivitäten für zukünftige Herausforderungen neu aufzustellen. Die wichtigsten Erkenntnisse in Kürze:
- Der Markt für Unternehmensverkäufe erfährt in 2022 einen deutlichen Dämpfer: Im Automobilzulieferer-Bereich gibt es weltweit einen Einbruch an Deals
- Treiber für weitere Transformationen und damit M&A-Transaktionen für Nicht-Kerngeschäftsaktivitäten ist insbesondere der Veränderungsdruck durch den Umstieg auf Elektromobilität
- Es gibt eine Nachfrage nach Übernahmen, die oftmals zu reduzierten oder sogar negativen Kaufpreisen abgeschlossen werden
- Dies bringt sogenannte Turnaround Investoren auf den Plan: Diese Investoren haben es nicht auf profitable und gesunde Unternehmen abgesehen, sondern auf sog. „Problem-Transaktionen“, die i.d.R. einen Restrukturierungsprozess nach Kauf erfordern
- Für das Verbrennergeschäft bietet ein Verkauf gegenüber der Abwicklung beziehungsweise Liquidation deutliche Vorteile – insbesondere spezialisierte Finanzinvestoren sehen hier Chancen, über eine sogenannte „Last Man Standing Strategie“ Kapazitäten am Markt zu konsolidieren und somit weiterhin erfolgreich am Markt agieren zu können
- Oftmals ist es notwendig, für eine erfolgreiche Ausgliederung (Carve-Out) ein neues Target Operating Model zu entwickeln, da die Verbrenner-nahen Geschäftsbereiche in der jetzigen Form weder rechtlich noch organisatorisch oder operativ vom verbleibenden Kerngeschäft getrennt sind
Übernahmen im Automobilzuliefergeschäft werden im Jahr 2022 weltweit zurückgehen
In den ersten 10 Monaten dieses Jahres liegt die Anzahl von Übernahmen im Automobilzulieferergeschäft weltweit 31% unter der Anzahl im gesamten Vorjahr. In Deutschland und dem restlichen Europa spiegelt sich diese Entwicklung wider (siehe Grafik 1). Die Gesamtanzahl im Jahr 2022 wird also deutlich unter dem Niveau von 2021 liegen.
Grafik 1: Anzahl M&A-Transaktionen in der Automobilzulieferindustrie
Das Transaktionsvolumen in dieser Branche hat sich im gleichen Zeitraum weltweit halbiert (156 Mrd. USD in 2021 auf 78 Mrd. USD von Januar bis Oktober 2022), in Deutschland und außerhalb von Europa fiel es sogar um mehr als 50% (siehe Grafik 2).
Grafik 2: Volumen M&A-Transaktionen in der Automobilzulieferindustrie in Mrd. USD
Um dem Veränderungsdruck standzuhalten, versuchen Automobilzulieferer durch gezielte Verkäufe von Teilgeschäftsbereichen die Investitionen in Zukunftstechnologien wie ADAS (Advanced Driver Assistance Systems) und den Umstieg auf die Elektromobilität zu finanzieren. In dem herausfordernden Marktumfeld haben sich Finanzinvestoren auf die Übernahme solcher Geschäftseinheiten spezialisiert.
Zunahme der Transaktionen zu erwarten
Aktuell ist nicht abzusehen, welche Auswirkungen Zinsentwicklung, Inflation und vor allem die Herausforderungen am Energiemarkt auf das Transaktionsgeschäft haben werden. Obwohl es in diesem Jahr zu weniger Deals im Automobilzuliefererbereich im Vergleich zum Vorjahr gekommen ist, wird dennoch erwartet, dass die Zahl an Transaktionen mit Unternehmen, die sich infolge aktueller Disruptionen in der Krise befinden, zunehmen werden. Besonders die Erwartungen an einen Anstieg von Konzernabspaltungen – sogenannte Carve-Out Transaktionen – sind hoch.
Vor dem Hintergrund des aktuellen Marktumfelds sind jedoch niedrige Bewertungen an der Tagesordnung – bei zusätzlich deutlich gestiegenen Finanzierungskosten. Hier trübt sich das Bild vor allem für solche Private Equity Investoren, die ihre Übernahmen von Mittelständlern oder Konzernteilen mit Fremdkapital finanzieren (Leveraged Buy-out Deals) – obwohl die Finanzkraft für große Abschlüsse durchaus noch da ist. Das höhere Zinsniveau macht dabei nicht nur die Fremdkapitalaufnahme für Übernahmen teurer, sondern belastet auch die Mittelaufnahme für neue Fonds.
Mit welchen Strategien reagiert die Automobilindustrie auf den Veränderungsdruck?
Der Veränderungsdruck im Automobilbereich wird im Wesentlichen durch den beschleunigten Verbrenner-Ausstieg hin zu elektrischen Antriebslösungen getrieben.
Im Rahmen der AlixPartners Automotive Study 2022 haben wir Automobilzulieferer und OEMs zu den Auswirkungen des Verbrenner-Ausstiegs und des Wechsels auf den Elektroantrieb auf ihre Strategie befragt. Rund ein Drittel hat bereits mit der Anpassung der strategischen Ausrichtung begonnen, die Aufgabe des Verbrenner-Geschäfts sowie Carve-Outs haben rund 47% dieser Unternehmen bereits initiiert (siehe Grafik 3).
Grafik 3: Strategien von Automobilzulieferern und OEMs im Hinblick auf Verbrenner-Ausstieg und Wechsel zum Elektroantrieb
Im Gegensatz zur Beendigung des Verbrenner-Geschäfts bzw. Nicht-Kerngeschäftsaktivitäten zeigt die Erfahrung, dass durch einen Carve-Out, also die rechtliche und organisatorische Ausgliederung des Geschäfts in Verbindung mit einem Verkauf, oftmals eine deutliche finanzielle Verbesserung erzielt werden kann. Insbesondere Finanzinvestoren mit einem klaren Fokus auf Carve-Out und Restrukturierungssituationen sind – im Gegensatz zu Automobilzulieferern – mit solchen Sondersituationen bestens vertraut, haben eigene Teams und können in kurzer Zeit die notwendigen Schritte für eine erfolgreiche Restrukturierung und strategische Neuausrichtung einleiten. Idealerweise können Investoren das Know-how und die Kapazitäten, die im Rahmen einer solchen Carve-Out Transaktion erworben werden, sogar wertsteigernd bei anderen Portfoliounternehmen synergetisch einsetzen.
Ein aktuelles Beispiel dafür: Erst im September 2022 konnte Mann+Hummel sein Plastic Performance Parts Geschäft („3P“) erfolgreich an den Münchner Finanzinvestor Mutares veräußern.
Verkauf und Erwerb insbesondere von (abzuspaltenden) Konzernteilen bieten Chancen für den Verkäufer, das eigene Portfolio zu bereinigen, beziehungsweise das Portfolio (aus Käufersicht) zu ergänzen. So strebt beispielsweise Mutares durch den Erwerb des 3P Geschäfts zusätzliche Synergieeffekte mit anderen Portfoliounternehmen an, welche ihren Kunden gemeinsam bereits ein umfangreiches Produktportfolio von Spritzgusskomponenten und Elastomerbauteilen weltweit anbieten können.
Der Markt für den Verkauf von Unternehmensanteilen im Zuliefererbereich ist jedoch momentan schwierig – M&A Prozesse laufen deutlich länger, Risiken werden kritischer unter die Lupe genommen und einige geplante Transaktionen finden im aktuellen Marktumfeld keinen Käufer. Dennoch gibt es weiter eine Nachfrage nach Übernahmen, die oftmals zu reduzierten oder sogar negativen Kaufpreisen abgeschlossen werden können. Dies bringt sogenannte Turnaround Investoren auf den Plan: Jene Investoren haben es nicht auf profitable und gesunde Unternehmen abgesehen, sondern auf sog. „Problem-Transaktionen“, die i.d.R. einen Restrukturierungsprozess nach Kauf erfordern.
Eine sogenannte „Last Man Standing Strategie“ ermöglicht es diesen Investoren, über eine branchenweite Konsolidierung weitere operative Synergien zu erzielen und sich am Markt als führender Anbieter von Verbrenner-Komponenten zu positionieren. Die akquirierten Portfolio-Unternehmen sollen im Verbrenner-Geschäft zusammenarbeiten, die (reduzierte) Nachfrage weiterhin bedienen und die Gewinne so lange abschöpfen, wie möglich.
Wie kann AlixPartners bei einem Carve-Out unterstützen?
AlixPartners verfügt über einen bewährten Ansatz, um Unternehmen im Rahmen von Sondersituationen wie dem Verbrenner-Austritt zielgerichtet und erfolgreich zu unterstützen (siehe Grafik 4).
Grafik 4: AlixPartners Carve-Out Ansatz
Dabei umfasst unser Ansatz typischerweise drei Module:
Modul 1: Ausarbeitung und Bewertung von Szenarien und Optionen
- Ziel ist es, im ersten Schritt volle Transparenz über die Handlungsoptionen zu erhalten. Auf der Basis kann – entlang von klar definierten Kriterien – eine belastbare Handlungsempfehlung gegeben werden.
- Wichtig sind hier nicht nur rein finanzielle Aspekte, sondern es sind insbesondere auch langjährige Geschäftsbeziehungen zu den OEMs („Change of Control“) sowie Auswirkungen auf Mitarbeitende („Betriebsübergang“) und das Kerngeschäft („Auslastung von Zebra-Werken“) zu berücksichtigen.
Modul 2: Carve-Out Planung & Implementierung
- Die Entwicklung eines belastbaren Target Operating Models bildet die Grundlage für einen erfolgreichen Carve-Out.
- Zielsetzung ist die volle Separierung des zu veräußernden Geschäftsbereichs und Sicherstellung, dass ab Day 1 („Closing“) die Geschäfte unabhängig beziehungsweise selbständig fortgeführt werden können.
- Dabei ist vor allem volle Transparenz über die Abhängigkeiten und Verflechtungen mit dem verbleibenden Kerngeschäft notwendig.
- Der Business Plan wird durch weitere Maßnahmen ergänzt, um den "Full-Potential Business Plan“ zu erstellen.
Modul 3: Verkaufs-Vorbereitung und M&A-Prozess
- Hier übernehmen wir die Leitung eines umfassenden M&A-Verkaufsprozesses, um ein wettbewerbsfähiges Bieterverfahren zu schaffen und den Wert der Transaktion zu maximieren.
- Durch ein inhaltsgetriebenes, hands-on PMO, d.h. das Management aller relevanten Stakeholder unter Beachtung der Anforderungen des Carve-Outs, stellen wir sicher, dass der Verkaufsprozess wertoptimal zum Erfolg geführt wird.
Fazit
Automobilzulieferer stehen aktuell vor einer ihrer größten Herausforderungen. Der Verkauf des Verbrenner-Geschäfts bzw. von Nicht-Kerngeschäftsaktivitäten kann ihnen jetzt ermöglichen, sich auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren. Oftmals ist ein Carve-Out notwendig, da die Verbrenner-nahen Geschäftsbereiche in der jetzigen Form weder rechtlich, organisatorisch oder operativ vom verbleibenden Kerngeschäft getrennt sind.
Ziel muss es sein, die Komplexität in solchen Situationen so weit wie möglich zu reduzieren. Dafür sind frühzeitig Leitplanken hinsichtlich des Carve-Out Umfangs und Target Operating Models zu setzen.
Außerdem sollte der Fokus darauf liegen, dass zum Day-1 (Closing) alle wesentlichen Prozesse so angepasst und ausgerichtet sind, dass das zu übertragende Geschäft – gegebenenfalls mit zeitlich begrenzter Unterstützung des Verkäufers – selbständig und erfolgreich am Markt agieren kann.
Dabei gilt es, pragmatisch und schnell Entscheidungen zu treffen, damit sich Management und Erwerber frühzeitig auf die Realisierung von Wertsteigerungsmaßnahmen und Synergien fokussieren können.
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