In der aktuellen Ausgabe widmen wir uns der Euro-7-Abgasnorm sowie den daraus entstehenden Herausforderungen, vor allem für die OEMs. Das Wichtigste in Kürze:

  • Die Abgasnorm Euro 7 soll zum Juli 2025 für Pkw in der EU eingeführt werden
  • Der neue Vorschlag vom November 2022 ist deutlich einschneidender als erwartet: Emissionswerte sind künftig technologieunabhängig, d.h. Grenzwerte gelten sowohl für ICE (Benzin, Diesel) als auch für BEV gleichermaßen
  • Es formiert sich zunehmend Widerstand aus OEMs, Verbänden und zuletzt acht Mitgliedsstaaten
  • Auf Basis des WLTP (Worldwide Harmonised Light-Duty Vehicles Test Procedure)-Verfahrens könnten die meisten jüngeren Modelle jedoch Euro-7-konform zugelassen werden
  • Neue Grenzwerte für Emissionen von Bremsen und Reifen können Folgen für die um 20-30% schwereren BEVs haben, da der Reifenabrieb in erster Linie abhängig vom Gesamtgewicht ist. Ein genauer Grenzwert ist noch ausstehend
  • Im Zentrum von Euro 7 steht das RDE (Real Driving Emissions)-Testverfahren; Grenzwerte müssen fortan in jeglichen realen Situationen eingehalten werden können (ggü. Euro 6 WLTP + Konformitätsfaktor)
  • Details zu Testverfahren sind noch unbekannt: Ob neue Modelle wirklich Euro-7-konform sind, kann daher aktuell nicht sicher festgestellt werden
  • Darüber hinaus sollen die Dauerhaltbarkeitsanforderungen über ein Onboard-Monitoring-System (OBM) für Kontrollinstitutionen nachprüfbar sein
  • Genaue Kosten für eine Euro-7-Adaption sind unklar. Schätzungen bewegen sich zwischen niedrigen dreistelligen und vierstelligen Euro-Beträgen – ohne die zu amortisierenden Entwicklungskosten über immer geringer werdende Verbrenner-Volumen

 

Die Euro-7-Abgasnorm 

Das Verbrenner-Aus für das Jahr 2035 ist beschlossen und die dafür notwendige Transformation zur Elektrifizierung eingeleitet. Die EU-Kommission sieht die Euro-7-Norm als wesentliches Element für den Übergang zu sauberer Mobilität im Rahmen der Dekarbonisierung des Straßenverkehrs. Sie schlug daher im November 2022 eine Änderung der Verordnung über CO2-Emissionsnormen vor, um kurz- bis mittelfristig ein niedriges Emissionsniveau des Straßenverkehrs zu erreichen.

Obwohl bereits für dieses Jahr eine Aktualisierung der Abgasnorm Euro 6 ansteht, zielt Euro 7 auf eine noch weitreichendere Verringerung der Schadstoffemissionen aus dem Straßenverkehr vor allem durch eine Aktualisierung der Schadstoffgrenzwerte und einer verbesserten Kontrolle dieser unter Realbedingungen.

Trotzdem formierte sich im Rahmen der öffentlichen Konsultation des EU-Kommissions-Vorschlags Widerstand in den Reihen der OEMs und Auto-Verbände. Dieser gipfelte nun in einem von acht Mitgliedsstaaten (inkl. Frankreich, Italien) unterzeichneten Positionspapier, welches jegliche neue Abgasvorgaben ablehnt. Einzig zustimmungsfähig blieben demnach die neu einzuführenden Emissionswerte für Bremsstaub und Reifenabrieb.

Die Emissionswerte

Euro 7 soll erstmals Kraftfahrzeugemissionen technologie- und kraftstoffunabhängig regeln, das heißt die definierten Grenzwerte für Emissionen gelten gleichermaßen sowohl für ICE (Benzin, Diesel) als auch BEV.

Neue Grenzwerte für Abgasemissionen wurden nicht definiert. Vielmehr beinhaltet Euro 7 jeweils den niedrigsten Euro 6 Wert – Werte, die zuletzt Ende der Zweitausender Jahre angepasst wurden (2007/2009). Änderungen ergeben sich somit vor allem für Benzin bei Kohlenmonoxid (-50% auf 500mg/km) und für Diesel bei Stickstoffoxiden (-25% auf 60mg/km).

 

Grafik 1: Wie viele neu zugelassene Modelle hätten Euro 7 bestanden (Anm.: auf Basis der WLTP-Werte)?

Mehrheitlich hätten die heute zugelassenen Fahrzeuge Euro 7 also bestanden (zuletzt 86% unter den gegenwärtigen Testbedingungen, siehe Grafik 1). Dies belegt auch eine ADAC-Studie aus 2019. Diese gibt an, dass bis auf ein Modell alle RDE-Testwerte deutlich unter dem Grenzwert für Stickoxide von 60mg/km liegen.

Für BEV sind dagegen die möglichen Grenzwerte für Reifen- und Bremsemissionen, gemessen anhand der Partikelanzahl (PN) und des Feinstaubs (PM), besonders relevant.  

Während Rekuperation bei den Bremsemissionen trotz eines höheren Gewichts (im Schnitt sind BEV zwischen 20-30% schwerer als das ICE-Äquivalent) für Entlastung sorgt, sieht es gerade beim Reifenabrieb anders aus. Zwar ist der Reifenabrieb immer stark abhängig von der Fahrweise, das Gewicht ist aber trotzdem maßgeblich.

Grafik 2: BEV-Reifenabrieb bis zu 56% höher als bei ICE

Die Auswertung zeigt, dass, je nach betrachtetem Modell, ein BEV-Vertreter bis zu 56% höheren Reifenabrieb erzeugt als das ICE-Vergleichsmodell; in jedem Fall jedoch noch einmal deutliche Prozentpunkte oberhalb des Gewichtsplus.

Herausfordernd ist diese Betrachtungsweise, weil der jüngste Vorschlag noch keinen exakten Wert für die Reifenemissionen liefert. Dieser Grenzwert soll jedoch für ICE und BEV gleichermaßen gelten. Isoliert betrachtet sind die neuen Emissionsstandards weitgehend nicht so einschränkend wie teilweise erwartet. Abzuwarten bleibt, ob der neue Grenzwert für Reifenemissionen wirklich ein Hindernis für BEV sein könnte – angepasste Reifen könnten hier aber bereits Abhilfe schaffen.

Woher kommt also der Druck, vor allem für die OEMs und der zunehmende Widerstand, zuletzt durch acht Mitgliedsstaaten?

Das Testverfahren

Im Kern von Euro 7 steht das Real Driving Emissions (RDE)-Testverfahren als Standard. Euro 6d und 6e beinhalten jeweils auch RDE-Testverfahren. Durch den Konformitätsfaktor (CF) wird dabei aber eine Toleranz gegenüber dem WLTP-Verfahren auf dem Prüfstand eingeräumt (heute z.B. 1,43 für NOx – auch wenn über 6e diese CF abgeschmolzen werden soll).

Bei Euro 7 gelten die Grenzwerte gleichermaßen für Tests auf dem Prüfstand als auch für die im Fokus stehenden RDE-Messungen. Wie bereits erwähnt, sollten diese jedoch unter den heute gängigen Testpraktiken kein Problem darstellen.

Der Teufel liegt hier im Detail beziehungsweise in der sogenannten Anforderung an die Teststrecke: Bisher regelt Euro 6 diese „Trip Composition“ recht klar und lässt dem Testpiloten oder der Testpilotin auch viel Spielraum für die Ausgestaltung der Stadt-, Überland- und Autobahnfahrten (Strecke, Geschwindigkeitsfenster, Anstiege etc.). Euro 7 beinhaltet explizit sämtliche Fahrten (any trips) also auch Stop-and-Go, Bergfahrten, klassisches Pendeln, Kurzstrecken etc. Erschwerend kommt hinzu, dass die Dauerhaltbarkeitsanforderungen beziehungsweise die Konformität zu diesen Emissionsgrenzwerten gegenüber Euro 6 verdoppelt werden auf nunmehr 10 Jahre oder 200.000km (für BEV gilt, dass die Kapazität der Batterie nach 5 Jahren oder 100.000km nicht unter 80% sein darf).

Diese Konformität soll über ein Onboard-Monitoring-System (OBM) jederzeit überprüft werden können – allein dies ist eine maßgebliche Änderung gegenüber Euro 6. So sollen OEMs die Datenerfassung, -analyse und -speicherung sicherstellen und für Dritte wie Kontrollorgane zugänglich machen. Weitere Details fehlen im aktuellen Vorschlag, dennoch darf dieser Punkt nicht unterschätzt werden.

Die Herausforderungen

Genau diese Verbindung aus „Trip Composition“, nämlich alle Fahrten, und dem RDE-Verfahren als Standard stellen nun Hersteller vor maßgebliche Probleme. Zwar könnte die Initiative der acht Mitgliedsstaaten zu Verzögerungen gegenüber einer bisher geplanten Implementierung Mitte 2025 führen. Dennoch scheint eine Konformität mit einer zukünftigen Euro 7 mit den aktuellen Motorfamilien alles andere als gewiss.

Wie kann also die ICE-Flotte abgesichert beziehungsweise adaptiert werden? Welche Toleranz legt man zugrunde, um die zukünftigen Grenzwerte im RDE sicher einzuhalten? Fakt ist, dass OEMs aufgrund der möglichen Einführung in knapp zwei Jahren (Stand heute) jetzt tätig werden müssen – und dies auf Basis noch fehlender relevanter Informationen.

Es fehlt zudem an Transparenz, wie stark die Kosten exakt für das jeweilige Verbrenner-Modell steigen. Schätzungen rangieren zwischen 150 EUR und 10% der Materialkosten. Nicht eingeschlossen sind hier die zu amortisierenden Entwicklungskosten über ein ohnehin abnehmendes Volumen (bei steigenden Zahlen für BEV) – das heißt die Kosten für den Verbraucher liegen sicherlich höher und für kleinere Verbrenner kann es zu signifikanten Steigerungen kommen.

Euro 7 ist eine europäische Herausforderung. Deshalb befinden sich die OEMs in einer Art Sandwichposition; denn eine Nachfrage nach ICE in Nordamerika und teilweise auch in Asien ist selbst nach 2035 noch zu erwarten. OEMs müssen also weiterhin zweigleisig fahren. Ein frühzeitiges Verbrenner-Aus weit vor dem Bann in 2035 ist – trotz der signifikanten Änderungen durch Euro 7 – aktuell nicht in Sicht.

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