In diesem Auto-Newsletter beleuchten wir, ob Extended-Range Electric Vehicles („EREV“) das Potenzial besitzen, aus dem chinesischen Markt heraus einen weltweiten Siegeszug anzutreten – und ob westliche OEMs samt Zulieferern schnell umdenken sollten, um den Anschluss nicht zu verlieren oder in der Nische unterzugehen. Dafür haben wir aktuelle Entwicklungen in China und weltweit analysiert und Markttrends untersucht. Die wichtigsten Erkenntnisse in Kürze:
- Extended-Range Electric Vehicles kombinieren einen Elektroantrieb mit einem Verbrennungsmotor, der als Generator fungiert, und ermöglichen so höhere Reichweiten und Effizienz.
- Der EREV-Markt wächst, insbesondere in China, mit einer jährlichen Rate von 50%, während westliche OEMs diese Technologie bislang kaum verfolgen.
- EREV bieten Vorteile wie geringere Kosten, hohe Reichweiten und eine größere Effizienz im Vergleich zu Plug-in-Hybriden.
- Westliche Hersteller riskieren Marktanteile, da chinesische OEMs wie BYD und Li Auto die EREV-Technologie dominieren.
- Europäische Zulieferer entwickeln innovative Lösungen, doch chinesische Anbieter setzen durch ihre Skalierung die Standards.
- EREV stellen eine wichtige Brückentechnologie dar, die westliche OEMs berücksichtigen sollten, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Ausgangssituation
Stellen Sie sich vor, Sie fahren ein Elektrofahrzeug mit mehr als 1000 km Reichweite und benötigen für einen Ladezyklus maximal 25min. „Das E-Auto mit Range Extender kann ein echter Gamechanger werden für den Wechsel zur Elektromobilität, auch in Deutschland“, sagte Dr. Xing Zhou, Automobilexperte beim Beratungshaus AlixPartners im Gespräch mit der FAZ im November 2024: Neuer Trend aus China: Das E-Auto macht seinen Strom jetzt selbst.
Der große Sprung zum vollelektrischen Antrieb scheint auch in China nicht auf einmal stattzufinden – der Zwischenschritt über den Range Extender etabliert sich gerade als die Standard-Antriebsoption im elektrischen Lösungsraum. Und damit ergibt sich die Frage, ob die deutsche Automobilindustrie zu spät diese Angebotslücke schließt.
E-Autos mit Range Extender, sogenannte „Extended-range Electric Vehicles“, sind in den letzten Jahren zum Verkaufserfolg geworden – jedoch nahezu ausschließlich in China. Befürworter sehen darin eine Brückentechnologie, die effizienter und klimafreundlicher ist als Plug-in-Hybride und dank hoher Reichweite auch im Westen weitere Kunden von E-Autos überzeugen könnte. Viele westliche OEMs haben sich jedoch selbst das Ziel der vollständigen Elektrifizierung von Fahrzeugen gesetzt und Investitionen in Technologien ohne fossile Brennstoffe Priorität eingeräumt – Fahrzeuge mit EREV-Technologie aus westlicher Produktion sind dementsprechend aktuell Nischenprodukte vor allem in den USA.
Technische Lösung
Die am häufigsten eingesetzten Range Extender sind Verbrennungsmotoren, die einen Generator antreiben, der wiederum Batterie und Elektromotor mit Strom versorgt. Seltener sind zusätzliche Batterien, die beispielsweise im Anhänger oder auf der Pickup-Ladefläche mitgeführt werden – diese sind hier nicht im Fokus.
Obwohl EREV auf den ersten Blick wie Plug-in-Hybrid Electric Vehicles („PHEV“) wirken, sind sie grundverschieden. Tatsächlich haben sie mehr mit reinen Battery Electric Vehicles („BEV“) gemein: Im EREV wirkt der Verbrennungsmotor nämlich wie ein mobiles Kraftwerk, welches nur den Generator antreibt und nicht das Auto selbst. Wenn er eingeschaltet ist, kann er also immer im optimalen Drehzahlbereich arbeiten und damit besonders energiesparend. Demgegenüber muss der Verbrennungsmotor in einem PHEV oft schneller oder langsamer laufen als im optimalen Drehzahlbereich. Da der Verbrennungsmotor im EREV nur den Generator antreibt und nicht das Auto selbst, kann er also effizienter arbeiten als der eines PHEV.
Neben „Extended Range Electric Vehicles“ („EREV”) sind „Range Extended Electric Vehicles“ (“REEV”) und „Range Extended Battery-Electric Vehicles“ (“BEVx”) gebräuchliche Bezeichnungen für derartige technische Lösungen.
Vor- und Nachteile
Ein EREV besitzt Vorteile, die bis dato skeptischen Käufern von Battery-Electric Vehicles („BEV“) den Einstieg in die Elektromobilität erleichtern können. Solange der Ladestrom für BEV nicht vollständig aus erneuerbaren Energien besteht, scheint der Nachteil des Verbrennungsmotors als Übergangslösung akzeptabel – gerade weil er im optimalen Drehzahlbereich hocheffizient arbeitet. Zudem können Batterie- und Herstellkosten reduziert und dadurch die finanzielle Einstiegshürde in die E-Mobilität gesenkt werden – wie das Beispiel China zeigt.
Marktentwicklung
Die jährliche EREV-Stückzahl wird sich bis Ende der Dekade bei rund 3,2 Mio. Fahrzeugen einpendeln. Dies entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von rund 50%. Der Hauptmarkt ist China – wir erwarten, dass dort bereits in 2024-25 jeweils mehr als 1,0 Mio. Fahrzeuge verkauft werden. Dort wurden 2023 insgesamt 8,41 Mio. elektrifizierte Fahrzeuge verkauft – das heißt wir gehen basierend auf einem Quervergleich von einem EREV-Anteil in China von mindestens 10% in den nächsten beiden Jahren aus, Tendenz überproportional steigend.
Rolle der OEMs
Eine Reihe chinesischer OEMs, darunter auch international aktive wie BYD oder der Range Extender-Pionier Li Auto, sind mit verschiedenen EREV auf dem Vormarsch. Dass die Technologie gerade von Kunden in China gekauft wird, zeigt das breite Engagement weiterer chinesischer OEMs. Auch der japanische OEM Mazda sowie der koreanische Hyundai-Konzern wollen mit eigenen EREV Modellen mitmischen – Hyundai plant den Marktstart sowohl in China als auch den USA, die Fahrzeuge befinden sich jedoch noch in der Entwicklung.
Westliche OEMs – einst EREV-Vorreiter – positionieren sich weniger klar. Die meisten haben ihre EREV eingestellt beziehungsweise setzen die EREV-Entwicklung gar nicht fort und konzentrieren sich bei der Elektrifizierung stärker auf den BEV.
Es gibt jedoch auch Beispiele für Range Extender: Die Zusammenarbeit zwischen Geely und Renault im Rahmen des Powertrain Ventures „Horse“ zielt darauf ab, verschiedene OEMs wie Nissan und Mitsubishi mit emissionsarmen Hybrid- und Verbrennungsmotoren, einschließlich Range Extender, zu beliefern. Volkswagen setzt nun zumindest in den USA auf den Range Extender im neuen elektrischen Pick-up-Geländewagen von Scout. Die EREV-Variante kommt in den USA gut an. Fraglich jedoch ist, ob sie nach China oder Europa kommen wird. Ford CEO Jim Farley hat den EREV in China getestet und gilt seither als Befürworter. Ford hat einen abnehmbaren Range Extender für einen Elektro-Pickup patentiert, der im kommenden elektrischen Ford F-150 zum Einsatz kommen könnte. Auch Stellantis bringt in Amerika ein EREV-Modell seiner Pick-up-Marke „Ram“ auf den Markt.
Richten wir unseren Blick auf Deutschland und Europa:
Der Range Extender würde die CO2-Grenzwerte für Neufahrzeuge in der EU bis 2034 erfüllen und stellt bis dahin eine sinnvolle Brückentechnologie dar, die voraussichtlich auch viele Kunden kurzfristig für die E-Mobilität gewinnen wird. Deutschland war auch hier vor mehr als 10 Jahren technologischer Vorreiter. Die Frage, die wir uns in Deutschland stellen müssen, lautet: Riskieren wir eine Mobilitätslücke und geben ein wachsendes Marktsegment kampflos auf? Die Zulieferwertschöpfung auf jeden Fall ist (im Gegensatz zur Batterie) vorhanden.
Rolle der Zulieferer
Chinesische Zulieferer haben mittlerweile die Entwicklung und die Produktion von Range Extendern skaliert. CATL hat vor einigen Wochen den Hochlauf der neuen Hybridbatterie für hohe Reichweiten (PHEV und EREV) gemeistert und liefert heute an mehrere chinesische OEMs aus.
Sofern westliche OEMs ihren Fokus bei der Elektrifizierung für EREV erweitern, könnten gerade auch europäische Zulieferer einen wesentlichen Beitrag liefern: Das „Plug-and-Play“-System des deutschen Zulieferers Mahle ist ein Beispiel für marktfähige modulare Lösungen für OEM. Auch der österreichische Zulieferer Obrist bietet OEMs und Zulieferern über Lizenzen ein serienreifes Range Extender System an.
Die Wertschöpfungstiefe und -breite wäre vorhanden. Eine Umstellung der Plattformen und Fahrzeugmobilitätskonzepte der Hersteller stellen die größeren Herausforderungen dar. Eine grundlegende Überarbeitung des Cycle Plans sehen wir jedoch nicht, sondern eine sinnvolle Ergänzung. Der Technologiebaukasten müsste auf das modulare Angebot der Zulieferer abgestimmt werden. Die Komplexität hielte sich in Grenzen, wenn man nicht von der BEV, sondern PHEV-Plattform abspringen würde.
Aus Komponentensicht werden Systemlösungen und Teilekompetenz für sämtliche Um- und Urformprozesse im Verbrenner-Antriebsstrang gefragt sein. Kapazitätsanfragen werden in diesen Segmenten wieder alsbald zunehmen. Weiterhin sehen wir einen Trend hin zum Baukastenprinzip und Systemanbietern. Die bestehende Cluster-Landschaft in Deutschland kann hiervon profitieren, aber die Wettbewerbsfähigkeit muss mit chinesischen Anbietern mithalten, die eine Skalierung und Industrialisierung bereits durchlaufen haben.
Fazit
Range Extender stellen eine Brückentechnologie dar, hin zu reinen BEV, die Effizienz und Reichweitenvorteile gegenüber einem PHEV vergleichsweise kostengünstig kombinieren. Sie bieten dadurch eine wichtige Lösung im elektrifizierten Antriebsstrangportfolio zur Bedienung von Kundenbedürfnissen und zur Emissionsreduktion. Hersteller und Zulieferer sollten diese Technologie berücksichtigen, um Wettbewerbsvorteile zu erzielen.
Vor diesem Hintergrund stellt China einmal mehr seinen Anspruch auf eine Führungsrolle in der Automobilindustrie unter Beweis. Es praktiziert Technologieoffenheit, greift Lösungen wie Range Extender auf und leistet Pionierarbeit bei der robusten Umsetzung nach Geschmack des Kunden. Deshalb sind EREV die am schnellsten wachsende Fahrzeugklasse in China. Die neue Popularität der EREV wird den Niedergang reiner Verbrenner in China beschleunigen – das Bündel an Vorteilen aus Effizienz, Reichweite, Flexibilität und Preis überzeugt die Kunden. Deutsche OEMs hätten dann ein weiteres Problem in ihrem größten Absatzmarkt, auf dem sie zunehmend ins Abseits gedrängt werden – bei BEV sind sie bereits nur Nischenanbieter. Zunehmend mehr Käufer für EREV gibt es auch in den USA. In Europa kommen EREV ebenfalls gut an – gerade im Vergleich zu reinen BEV –, weiß der chinesische OEM BYD zu berichten.
Damit deutsche OEMs das wachsende EREV-Segment nicht anderen überlassen, ist ein Überdenken der Priorisierung von reinen BEV angebracht. Bei der schnellen und kostengünstigen Schließung der Technologielücke bei EREV können europäische Lieferanten mit fertig entwickelten Lösungen unterstützen. Schlussendlich könnte dies klimafreundlichen elektrifizierten Fahrzeugen zum Durchbruch verhelfen – mit fossiler Unterstützung.
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