AlixPartners „Aerospace & Defense Outlook 2024“: Globale Luftfahrt- und Verteidigungsindustrie wächst weiter in allen Segmenten mit historischem Auftragsbestand in disruptivem Umfeld
- Weltweite Luftfahrt-, Raumfahrt- und Verteidigungsindustrie wächst weiter in allen relevanten Segmenten
- Disruption in vielfältigen Dimensionen als beständiger Faktor
- Rekordauftragsbestand in der kommerziellen Luftfahrt von 15.000 Flugzeugen entspricht mehr als neun Jahren Produktion
- Weltweiter Luftverkehr übersteigt Niveau von 2019, angeführt von Nord- und Südamerika. EMEA und Asien volatil auf dem Niveau vor der Pandemie
- Das Branchenziel von Netto-Null-Emissionen bis 2050 verlangt eine enorme Kraftanstrengung und bis 2035 voraussichtlich Investitionen in Höhe von 150 Mrd. USD pro Jahr
- Geopolitische Konflikte führen zu neuem Allzeithoch der globalen Militärausgaben in 2023 (+6% gegenüber 2022) sowie zu weiteren Steigerungen in der Zukunft
MÜNCHEN, 11. Juli 2024 – Die Luftfahrt-, Raumfahrt- und Verteidigungsindustrie wächst weiter in allen relevanten Segmenten und sieht sich einem historisch hohen Auftragsbestand gegenüber. Zeitgleich steht die Industrie vor erheblichen Herausforderungen, diesen weiter steigenden Auftragsbestand zu bewältigen. Zu diesem Ergebnis kommt der „Aerospace & Defense Outlook 2024“ der globalen Unternehmensberatung AlixPartners.
Die tragenden Säulen der weltweiten Luftfahrt-, Raumfahrt- und Verteidigungsindustrie werden voraussichtlich auch im Jahr 2024 weiterhin gestärkt. Allerdings hemmen die Herausforderungen in der Lieferkette und der Qualität die Hochlaufpläne und bedrohen die Fähigkeit der kommerziellen Flugzeughersteller, einen historischen Auftragsbestand von über 15.000 Flugzeugen zu bewältigen, der neun Jahren Produktionsvolumen entspricht.
Der jährlich veröffentlichte AlixPartners „Aerospace & Defense Outlook“ bietet auch in diesem Jahr eine tiefgehende Analyse mehrerer wichtiger Einflüsse – von geopolitischen Konflikten, Problemen in der Lieferkette und Fachkräftemangel bis hin zu Nachhaltigkeit, Qualitäts- und Hochlaufproblemen – die jeweils einen entscheidenden Einfluss auf das komplexe Ökosystem der Industrie haben. Die Studie prognostiziert eine weitere Erholung nach der Covid-Pandemie für die meisten Segmente. Störungen sind weiterhin allgegenwärtig und erfordern signifikante Investitionen und umfangreiche Strategien, um Innovation, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit weiter zu beschleunigen.
„Die Industrie erfährt mehrere positive Entwicklungen, darunter eine robuste Nachfrage nach Flugreisen, erhöhte Verteidigungsausgaben, eine weiter steigende Anzahl an Bestellungen von Verkehrsflugzeugen und einen unstillbaren Appetit auf alles, was mit der Raumfahrt zu tun hat“, sagt Dr. Stefan Ohl, verantwortlicher Partner und Managing Director für das weltweite Geschäft mit Klienten aus der Luftfahrt-, Raumfahrt- und Verteidigungsindustrie. „Vier Jahre nach dem Ausbruch der Pandemie sind jedoch die Gewinn- und Umsatzentwicklungen sowie die Aussichten in verschiedenen Segmenten uneinheitlich. Die globalen Volkswirtschaften sind volatil, die Deglobalisierung beschleunigt sich und die Industrie steht vor einem steilen, nachfragegetriebenen Hochlauf, begleitet von mehreren operativen und finanziellen Hürden. Die Herausforderungen umfassen anhaltende Lieferkettenstörungen, hohe Zinssätze, anhaltende Inflation und zunehmende Spannungen weltweit. Gleichzeitig muss die Industrie ihre Bemühungen zur CO2-Reduktion verstärken, um nicht die wichtigen Nachhaltigkeitsziele zu verfehlen, die von den Unternehmen erwartet werden.“
Zehn eng miteinander verwobene disruptive Kräfte beeinflussen die Branche
Die Branche steht im Jahr 2024 vor zehn großen disruptiven Herausforderungen, die eng miteinander verknüpft sind. Neben den Problemen beim Hochlauf gehören dazu die Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten, Spannungen im asiatisch-pazifischen Raum, Störungen der Lieferkette, Fachkräftemangel, Wachstum im Weltraumsektor, verstärkte Bemühungen zur Qualitätsverbesserung, eine Zunahme der Aktivitäten von Private-Equity-Firmen sowie ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit.
„Die Liste der disruptiven Ereignisse, die die Branche betreffen, bietet den Akteuren der Branche beträchtliche Chancen und weitreichende Potenziale für die kommenden Jahre“, sagt Dr. Stefan Ohl. „Wenn diese Kräfte jedoch falsch gemanagt werden, werden sie die operative Performance und das Wachstum nachhaltig beeinträchtigen.“
Zunahme an M&A Aktivitäten erwartet
Zu den Faktoren, welche die globale Industrie beeinflusst haben, zählen unter anderem M&A Aktivitäten, welche im letzten Jahr relativ gedämpft waren, aber laut AlixPartners im Jahr 2024 wieder an Schwung gewinnen sollen. Nachhaltigkeit, die entscheidend ist, um dem zunehmenden ESG-Druck gerecht zu werden, wird immer stärker zu einem Deal-Treiber. Dabei zielen die Aktivitäten entweder auf den Erwerb transformierender Vermögenswerte oder auf die Ausgliederung von Assets, die als ESG-schädlich angesehen werden. Während Private-Equity-Firmen sich an das höhere Zinsumfeld anpassen, sind sie gleichzeitig damit befasst, mit strategischen Investoren Schritt zu halten.
AlixPartners erwartet, dass Private-Equity Firmen auf der Verkaufsseite aktiv bleiben werden, wobei operative Verbesserungen den meisten Investmentthesen zugrunde liegen. Weitere Faktoren, die Transaktionen beeinflussen, sind künstliche Intelligenz und die bevorstehenden Wahlen in den USA und Europa. Verteidigung, Raumfahrt und öffentliche Dienstleistungen werden alle als mögliche Hotspots für kommende Transaktionen erwartet. Die Unsicherheiten in der Produktion, Fragen zur Zukunft des Flugzeug-Strukturbaus und die Ausmusterung zunehmend älter werdender Flugzeugflotten werden die M&A Aktivitäten in der kommerziellen Luftfahrt weiter vorantreiben.
Zivile Luftfahrt: Rekordauftragsbestand, wachsender Luftverkehr und Lieferprobleme
Die kommerzielle Luftfahrtindustrie verzeichnet einen historisch hohen Auftragsbestand von mehr als 15.000 Aufträgen, was mehr als neun Produktionsjahren entspricht. Von 2023 auf 2024 ist der Auftragsbestand um 18% angestiegen und verdeutlicht die anhaltend hohe Nachfrage nach Verkehrsflugzeugen. Hersteller stehen vor großen Herausforderungen: den Auftragsstau effizient abzuarbeiten und gleichzeitig das schnellste und steilste Produktionswachstum in ihrer Geschichte zu bändigen. Die hohe Verschuldung und Refinanzierungskosten der Zulieferer belasten zusätzlich die Profitabilität.
Die fehlenden Produktionskapazitäten der etablierten Hersteller bieten hingegen neuen Herstellern die Chance, das Duopol im Flugzeugbau aufzubrechen. Der chinesische Hersteller Comac ist erst 2023 in den Markt eingetreten und weist schon jetzt ähnliche Wachstumsraten bei den Bestellungen auf wie die etablierten Hersteller – dies jedoch auf einem bei weitem geringeren Niveau im Vergleich zu den beiden großen Playern Airbus und Boeing.
Die globale Luftverkehrsnachfrage hat sich nach der Pandemie mit der Normalisierung des Reiseverhaltens in den meisten Teilen der Welt wieder erholt und liegt in Europa auf dem Niveau von 2019. Es wird erwartet, dass die globalen kommerziellen Fluggesellschaften ihre Nettogewinne bis Ende 2024 über das Niveau von 2019 hinaus steigern werden.
Die anhaltenden Probleme bei der Auslieferung von Flugzeugen sowie die Schwierigkeiten mit der Zuverlässigkeit von GTF-Triebwerken (Geared Turbofan) wirken sich jedoch negativ auf die Margen und Kapazitäten vieler Fluggesellschaften aus.
Daniel Makowski, Leiter des Luftfahrtsektors bei AlixPartners für die DACH-Region, sagt: „Der hohe Auftragsbestand zeigt deutlich, dass die Fluggesellschaften weiter auf Wachstum setzen, stellt aber die gesamte Lieferkette vor große Herausforderungen. Die Branche braucht erhebliche Investitionen in den Kapazitätsaufbau und strategische Anpassungen, um die Produktion zu skalieren, die notwendige Qualität zu gewährleisten und die finanzielle Nachhaltigkeit zu sichern“.
Zusätzliche Produktionskapazitäten werden in allen Bereichen der Luftfahrt und Verteidigungsindustrie benötigt. Die Segmente konkurrieren um Kapazitäten, was zu einer Umschichtung zwischen Produktion und Wartung für Ausrüstungs- und Turbinenhersteller führen wird. Lieferkettenprobleme, Arbeitskräftemangel und steigende Zinsen verschärfen diese Herausforderungen zusätzlich.
Nachhaltigkeit im Fokus
Das Ziel der Branche, bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen, liegt noch in weiter Ferne und verlangt eine enorme Kraftanstrengung der gesamten Branche. Neben einer Erneuerung der Flotten wird die Steigerung der Produktion von nachhaltigen Flugkraftstoffen (Sustainable Aviation Fuels, SAF) bis 2035 voraussichtlich Investitionen in Höhe von 150 Mrd. USD pro Jahr erfordern.
„Die aktuellen Bemühungen, Emissionen zu vermeiden oder zu reduzieren, werden nicht reichen, um bis 2050 Netto-Null Emissionen zu erreichen. Neben massiven Investitionen in die Erneuerung der Flotten und der SAF-Produktion braucht es weitere technologische Innovationen, vor allem in den Bereichen Antrieb und Ground Operations. Der Zeitplan ist schon heute eng und die zusätzliche finanzielle Belastung für die Branche immens“, sagt Daniel Makowski.
Verteidigungsindustrie kämpft mit Wachstumsschmerzen
Der Wachstumstrend im Verteidigungssektor ist ungebrochen. Die weltweiten Militärausgaben erreichten in 2023 mit 2,3 Billionen US Dollar ein neues Allzeithoch und verzeichneten damit das sechste Rekordjahr in Folge. Mit dem anhaltenden Konflikt in Israel erfährt die Verteidigungsindustrie jedoch, neben den ohnehin schon hohen Anforderungen der Ukraine, weitere Bedarfe, die es zu erfüllen gilt. Daneben stellt die Bedrohungslage im asiatisch-pazifischen Raum und die Fortschritte im Ausbau des Militärs seitens China den Westen und seine Verbündeten vor immer größere Herausforderungen. Die Verteidigungsindustrie darf sich darüberhinaus nicht davon abbringen lassen, Antworten auf die Besonderheiten des Gefechtsfelds der Zukunft zu liefern. Dies reicht von neue Akteuren und Konfliktformen über erweiterte Operationsräume (wie bspw. den Weltraum) bis hin zu erhöhten Anforderungen an Waffensysteme im Bereich der Interoperabilität, Autonomie, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit.
Die Unternehmen der Verteidigungsindustrie kämpfen dabei nach Jahren der Stagnation mit erheblichen Wachstumsschmerzen. Zu den größten Herausforderungen gehören die Hochlauffähigkeit in Entwicklung, Produktion und Lieferkette sowie der Mangel an Fachkräften, um einerseits die erhöhte Zahl an Waffensystemen zu fertigen und andererseits den gestiegenen Anforderungen und der Komplexität gerecht zu werden (bspw. Schweißer, Mechaniker, Mechatroniker, Ingenieur und Softwareentwickler). „Ein stringentes Programmmanagement ist derzeit eine der größten Herausforderung für die Verteidigungsindustrie“, sagt Christian Leber, Partner und Leiter des Bereichs Verteidigung bei AlixPartners für die DACH-Region. „Der erhöhte Auftragseingang bei den Unternehmen muss jetzt zeit- und kostengerecht entwickelt und geliefert werden. Der Mangel an geeigneten Ressourcen erschwert dies erheblich und zeigt dringenden Handlungsbedarf auf.“
Neben den Hochlaufschwierigkeiten sieht sich die Verteidigungsindustrie mit weiteren Herausforderungen konfrontiert. Dazu zählen vor allem die nachhaltige Absicherung der Verteidigungshaushalte und die damit verbundene Planungssicherheit. Die Zahl der NATO-Staaten, die das 2%-Ziel erfüllen, ist im Ausblick auf das Jahr 2024 sprunghaft auf 23 angestiegen. Dazu gehört auch Deutschland, welches jahrelang eher im unteren Mittelfeld angesiedelt war. Dies liegt aber vor allem am 2022 beschlossenen Sondervermögen von 100 Milliarden Euro. Die realistischen Anforderungen an die Verteidigungsausgaben und damit die nachhaltige Erfüllung des NATO-Ziels sind nach Auslaufen des Sondervermögens aktuell im Verteidigungshaushalt nicht gesichert. Eine fehlende Budgetabsicherung führt in der Verteidigungsindustrie, und hier vor allem bei den Zulieferern der großen Unternehmen, zu einer unklaren Auftragslage und mangelnder Planungssicherheit und damit zu einer zögerlichen Haltung gegenüber den jetzt so wichtigen Investitionen in ausreichende Ressourcen.
„Der Zustand der globalen Luftfahrt-, Raumfahrt- und Verteidigungsindustrie zwingt die Branchenakteure dazu, einerseits fest in der Gegenwart zu stehen, während andererseits verlässliche Planung und Investitionen für die Zukunft so herausfordernd sind wie nie zuvor“, fasst Dr. Stefan Ohl die Gesamtsituation der Industrie zusammen. „Die Unternehmen und Investoren, die auf der Gewinnerseite stehen, verstehen besser als andere, dass sie kurzfristige Risiken und Chancen mit einer langfristigen Denkweise angehen müssen.“
Über AlixPartners
Expertise, Umsetzungsstärke, Verantwortung – AlixPartners steht für messbare Ergebnisse „when it really matters“. Als global agierende Unternehmensberatung helfen wir unseren Klienten dabei, schnell und entschlossen auf ihre wichtigsten Herausforderungen zu reagieren. Unsere erfahrenen Beraterinnen und Berater sind spezialisiert darauf, Unternehmenswerte zu schaffen, zu schützen und wiederherzustellen. Vom „manager magazin“ und der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Management & Beratung (WGMB) wurde AlixPartners 2023 als umsetzungsstärkstes Beratungsunternehmen ausgezeichnet. Seit über 40 Jahren unterstützen rund 3.000 MitarbeiterInnen in 25 Büros weltweit die Klienten von AlixPartners.
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